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4. Alepposeife - der Lorbeerölbaum


1. Alepposeife - Herstellung und Hintergründe
2. Alepposeife - Der Hamam
3. Alepposeife - Kulturgeschichte der Seife
4. Alepposeife - Geschichte des Lorbeerölbaums
5. Wirtschaftsinformationen über Alepposeife

4. Geschichte des Lorbeerölbaums

Wie bereits beschrieben bildet Olivenöl die Basis jeder Alepposeife. Entgegen diverser Vorschriften der Kosmetikverordnungen und einer EU-Richtlinie enthält Alepposeife allerdings üblicherweise auch Lorbeeröl.
Der nicht winterharte Lorbeerbaum (Laurus nobilis) gehört zur Familie der Lorbeergewächse (Lauraceae, ca. 2250 Arten), welche vorwiegend in den tropischen und subtropischen Gebieten verbreitet sind und gelegentlich Wälder oder Haine bilden können.
Diese wärme- und feuchttigkeitsliebenden Lorbeerwälder des Laurus nobilis, die in der Antike weite Landstriche des Mittelmeerraumes bedeckten, sind heute nur noch in Nordspanien, in einigen Gebieten der Adria und in Süd-Ost-Anatolien sowie an der türkischen Schwarzmeerküste zu finden. Es scheint, dass der Ertrag einer malerisch-urwüchsigen Sammlung wildwachsender Lorbeerfrüchte für die Produktion der Alepposeife in keinem Verhältnis zum Aufwand stehen würde - die Zeit der Jäger und Sammler ist seit einigen Jahrtausenden vorbei. So wird man annehmen können, dass der Großteil der für die Alepposeife verwendeten Lorbeeröle aus der Türkei importiert werden.
Lorbeerblätter und ätherisches Lorbeeröl aus den Steinfrüchten werden heute jedoch in vielen Anrainerstaaten des Mittelmeeres landwirtschaftlich angebaut.

Das für die Herstellung der Alepposeife so bedeutsame aber recht unscheinbare Laubgehölz wird zwischen 5 und 15 m hoch und besitzt fest-derbe, glänzende und aromatisch duftende Blätter. Die Blüten sind weißlich-hellgelb und bringen ab Juni blauschwarze Beerenfrüchte hervor. Geerntet wird von Juni bis November. Die Produktionssaison der Alepposeife schließt sich daran an und dauert von etwa November bis März.

Der Lorbeerbaum, ähnlich wie der Olivenbaum, dessen Öl für jede Alepposeife Verwendung findet, verbreitete sich von Kleinasien und der Balkanhalbinsel aus über das gesamte Mittelmeergebiet, bzw. über die gesamte mediterrane Klimazone, die auch die Umgebung der Stadt Aleppo in Syrien mit einschließt.

Lorbeer wird in 7000 Jahre alten Keilschriften erwähnt. Schon die Sumerer sollen ihre Sieger bei Wettkämpfen mit einem Lorbeerkranz geschmückt haben. Im Alten Testament taucht der Lorbeerbaum im Zusammenhang mit der - ständig wiederkehrenden - Kritik an Vielgötterei bzw. Naturverehrung auf (Jesaja 44,14 ff). Diese Kritik fügt sich in eine Linie des Alten Testaments ein, die an mehreren Stellen eine Distanz zu den "Kanaanitern" - also "Heiden" - predigt.

Alepposeife allerdings war, entgegen gelegentlich kolportierten Gerüchten, weder bei den Sumerern noch bei Abraham ein Thema. Dieses Produkt dürfte noch keine anderthalb Jahrtausende in Gebrauch sein. Für Jesus und seine Jünger kam die Alepposeife also gleichfalls zu spät. Wer weiß, welche geschichtliche Bedeutung die Alepposeife andernfalls entfaltet hätte. Hätte Gottfried von Bouillon statt der Jerusalemer dann vielleicht die Aleppiner, ähm, befreit? Und den Rest seines Lebens damit verbracht, friedlich Alepposeife in der Medina Aleppos zu kochen?

Die Prominenz des Lorbeers wird Alepposeife, pardon, Apollon zugeschrieben, denn der Überlieferung zufolge verliebte sich Apollon seiner Eroberung des Orakels von Delphi in die Nymphe Daphne (türkisch Lorbeerblatt "defne"). Er fand dabei offenbar wenig Gegenliebe - lag es an der fehlenden Alepposeife? - und verfolgte sie, bis diese zu ihrem Schutz von ihrem Vater in einen Lorbeerbaum verwandelt wurde. Die Liebe Apollons übertrug sich auf das Gewächs und von nun an schmückte Lorbeer Haupt, Leier und Köcher des Gottes und das Orakel befand sich in einem Lorbeerhain.

In der Antike wurde dem Lorbeerbaum - vergleichbar dem Olivenbaum - mystische Wirkung u. a. in der griechischen Tempelmedizin zugeschrieben. Naja, heute muss die Alepposeife als Wunderwaffe herhalten. Maximilian ist schöner als Amelie, weil, er nimmt täglich Vollbäder mit ausgependelter Alepposeife. Undsoweiter. Sie wissen schon.

Die Pythia soll sich an Lorbeerblättern als Speise und Opferrauch berauscht haben und auch in Rom fand sich Lorbeer im Opferrauch. Götterbilder wurden mit einem Kranz aus Lorbeer verziert, erfolreiche Athleten wurden mit Lorbeer geehrt und römische Triumphatoren trugen auch Lorbeer. In der Renaissance nahmen z. B. Dichter den Kranz aus Lorbeer als Symbol für herausragende Leistungen wieder auf.

Aus den Früchten wird Lorbeeröl durch Kochen im Wasserbad gewonnen. Da Fett auf dem Wasser schwimmt, kann das Lorbeeröl nach dem Herauskochen von der Wasseroberfläche abgeschöpft werden. Die geernteten Beeren sollen pro Kilogramm rund 0,7 Liter Lorbeeröl hergeben. Die Mischung aus ätherischen und fetten Ölen der Früchte schimmert durch den Anteil an Chlorophyll grün und verflüssigt sich erst bei etwas über 30 Grad.

Lorbeeröl enthält Sesquiterpenlactone – z. B. Costunolid – welche für die allergieauslösenden Eigenschaften von Lorbeer verantwortlich gemacht werden.
Alepposeife, SattelIn Deutschland wird Lobeeröl traditionell von manchen Reitern bei der Hufpflege der Pferde am Kronrand verwendet, da Lorbeeröl das Hufwachstum anregen soll. Der Markt für diese Huffette ist groß. Jedoch verweisen diese Anbieter zum Teil auch auf die hautreizenden Eigenschaften des Loorbeeröls. Der Verfasser dieses Textes vermutet inzwischen, dass eben diese - als hautreizend beschriebenen - Eigenschaften die Ursache für ein gefördertes Hufwachstum sein könnten. Denn wenn der Kronrand aufgrund einer Reaktion stärker durchblutet wird, dürfte auch die Blutversorgung des restlichen Hufgewebes ansteigen. Jedoch traute sich der Verfasser bis heute nicht, seine Pferde als Versuchskaninchen für Alepposeife zu verwenden. Er bleibt, wie einstmals die Hure Maria aus Magdala, beim Einölen der Hufe.
Man beachte - als Fußnote dazu - das Kapitel Apollon: die Liebe als ein anregender, wenn nicht sogar berauschender Zustand. Bis heute adaptieren viele Anbieter von Alepposeifen auf dem virtuellen Souq gern die traditionelle Verklärung des Lorbeers, und da postmoderne Menschen die hemmungslosen griechischen Götter nicht mehr anbeten, sondern selbst welche sein wollen, geht es beim Lorbeer inzwischen weniger um Kriege und Siege als um die Pflege der Schönheit, vor einem amüsanten Hintergrund von Okkultismus, Rausch und Suff - und natürlich ums Essen. Nicht allzu erstaunlich, dass das Alte Testament mit dem Lorbeer nicht viel anfangen konnte und Chefsektierer Abraham und seine Kuh das Gebiet um Aleppo bald wieder verließen.

Die Blätter des Lorbeerbaums wurden schon in der Antike als Speisegewürz verwendet (allerdings nicht zur Herstellung von Alepposeife!). Die bei der Herstellung der Alepposeife verwendeten Öle hingegen werden vermutlich überwiegend durch Abkochen der Steinfrüchte gewonnen. Die Blätter lassen sich als Gewürz verkaufen; während die Kernfrüchte sich eigentlich nur für die Ölgewinnung eignen, und damit für die Herstellung von Alepposeife.
Traditionell wird Lorbeeröl nicht nur bei der Herstellung der Alepposeifen und zur Hufpflege verwendet, sondern auch in Naturheilmitteln, zur Abwehr von Textilschädlingen im Kleiderschrank, bei Furunkulosen, Ohrentzündungen, Krämpfen, Prellungen, Verstauchungen, Krätze und in manchen Parfüms.
Während der Pestperiode galt Lorbeeröl als probates Mittel gegen die Seuche; hier dürfte die Figur des Apollon und seine Rolle bei der Belagerung Trojas ebenso eine Rolle gespielt haben, wie die bereits bekannte - angeblich antibakterielle - Wirkung bei Furunkeln und Abszessen, die nun auf die Boubonen der Beulenpest übertragen wurde. Apollon schoss, der Sage nach, Pestpfeile in das Lager der Griechen.

Eben die durchblutungsfördernde und hautreizende Wirkung des Lorbeeröls dürfte die Menschen veranlasst haben, Lorbeeröl anzuwenden. Doch wird - wegen der häufig auftretenden Kontaktallergien - hoch dosiertes Lorbeeröl, z. B. als Antiparasitika bei Krätze, nicht mehr angewandt.
Das im Lorbeeröl und damit wohl auch in den Alepposeifen enthaltene Costunolid dürfte in den Ölen je nach Herstellungsort, Pflanze, Sonnenscheindauer, Boden etc. stark variieren. Damit würde eine genaue Angabe der Allergiegefährlichkeit bei Alepposeifen zu einem Ratespiel. Hinzu kommt, dass dann, wenn man / frau / baby (!!!) sich mit Alepposeifen wäscht, Kontaktallergien meist mit einer zeitlichen Verzögerung von einem bis drei Tagen auftreten. Bei einer etwaigen Kontaktallergie nach dem Gebrauch von Alepposeife wäre unter Umständen der gesamte Körper betroffen. Vorsicht und Augenmaß mit diesem potenziellen Segen (oder Fluch) sind also durchaus angebracht.
Ein Link zum Thema Kreuzallergien:
Wikipedia kommt ebenso wenig vom Sinai wie die Alepposeife, hat aber meistens recht.

Im Norden des Mittelmeergebietes ging mit der Völkerwanderung und der Machtübernahme der diversen Germanstämme die römisch-griechische Zivilisation den Bach hinunter. Nur in Klöstern wie auf dem Monte Cassino konnte sie in Ansätzen bewahrt werden. Alepposeife-freien Germanenfürsten und den Päpsten war sie noch gerade gut genug dafür, als Reichs- und Petrimythos zu politischen Zwecken eingesetzt zu werden. In Byzanz blieb die antike Zivilisation allerdings lebendig. Außerdem übernahmen die Araber nicht nur römische-griechische Baukunst, sondern auch Lebensstil - u. a. die Badekultur - und Wissenschaft. Durch den Zusammenprall der Kulturen während der Kreuzzüge und den Handel der Venezianer gelangte dieses Wissen im Hochmittelalter erneut nach Mitteleuropa und bildete den Treibsatz, mit dessen Hilfe die sich etablierenden europäischen Nationalstaaten sich rasch von den von nun im wissenschaftlich-zivilisatorischen Bereich stagnierenden islamischen Gesellschaften absetzten.
Blickt man vom Hochmittelalter aus fünf- oder sechshundert Jahre zurück in das Herz der arabischen Städte - Damaskus und Aleppo -, dann wird man erkennen, dass "Erfindungen" wie die Alepposeife durchaus keine zufälligen "Findungen" waren. In Aleppo liefen Entwicklungslinien zusammen, die mit der Sesshaftwerdung der Menschen im fruchtbaren Halbmond begannen, von den frühen Reichen Mesopotamiens bis hin zu den Entwicklungen der römischen Zivilisation reichten und in der Hoch- und Blütezeit der arabisch-islamischem Kultur kulminierten. Diese Kultur - in der die Alepposeife nur ein kleines Kapitel bildet - ist nichts, was eine der "streitenden Zivilisationen" von heute für sich allein reklamieren könnte. Es ist ein Weltkulturerbe.

il professore

Fortsetzung: Wirtschaftsinformationen über Alepposeife