Halab oder Aleppo ist nicht nur eine Stadt, sondern auch eine Provinz in Nordsyrien. Es ist die zweitgrößte Stadt des Landes und hat heute ungefähr 2.140.000 Einwohner (nach örtlichen Angaben sind es 3,2 Millionen in der Stadt und 800000 im Umland). Aleppo befindet sich an der alten Wegstrecke zwischen dem Mittelmeer und dem Euphrat. Zwei Fernstraßen trafen sich hier und die Handelsgüter aus dem Zweistromland (heute Irak), Damaskus und dem fernen Indien wurden hier feilgeboten. Im Mittelalter und der Neuzeit gab es Handelsverträge und Handelsvertretungen der Venezianer, Briten, Franzosen und Niederländer. Nach der Verlagerung des internationalen Handels auf die Seewege begann die ökonomische Stagnation der Stadt. Der Anschluss an die Hedschas-Bahn konnte das endgültige Abdriften in das wirtschaftliche Aus nach dem Bau des Suez-Kanals nicht aufhalten - zumal zwei Jahre nach der Errichtung der Zugverbindung Istanbul-Aleppo der Erste Weltkrieg begann, der schließlich das Osmanische Reich in den Abgrund ziehen sollte.
Die Menschen profitierten daher schon immer besonders vom Handel und litten unter den Kriegen. Zu ihrem Schutz siedelten sich die ersten Aleppiner auf Hügeln zu beiden Seiten des Flusses Quweig (auch Quweiq, Kuweik, Quoik, Kowick, Koeik) an. Diese Siedlungsspuren dürften weit in die Anfänge der Sesshaftwerdung der Menschen zurückreichen.
Uns ist nicht bekannt, ob bis heute systematische Ausgrabungen im Altstadtgebiet stattgefunden haben oder stattfinden. Aber auch so belegen zahlreiche Funde (z.B. Siegel aus altsyrischer Zeit um 1800 v. Chr., zwei Tor- oder Tempellöwen aus Basalt - wahrscheinlich späthethitisch sowie die Fürstenstatue von Ain et-Tell (Arpad) - vermutlich das Werk eines aleppischen Künstlers), dass die Stadt über einen längeren Zeitraum der Sitz bedeutender Steinmetze war.
So wie die Reiche dieser Region kamen und gingen, so wechselte auch der Name der Stadt Aleppo: Aramäisch - Jamchad, Antike - Halpa, Seleukiden - Beröa und arabisch Halab.
Zum osmanischen Reich gehörte Aleppo seit 1517. Die Stadt war der Amtssitz eines Walis (Provinzgouverneurs) und hatte schätzungsweise 50.000 Einwohner. Aleppo blieb bis zum Ende des I. Weltkrieges unter osmanischer Herrschaft. Jedoch verlief die weitere Entwicklung der Einwohnerzahl in der Neuzeit stockend, da Aleppo als immer wieder von Pestzügen heimgesucht wurde. Auch die große Cholerawelle in den 1820er Jahren forderte viele Menschenleben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten ca. 120.000 Menschen in Aleppo. Den Erinnerungen T. E. Lawrence zufolge waren es während des 1. Weltkrieges schon 200.000 Einwohner - wobei allerdings auch Aleppos Bedeutung als Etappenstadt und als Ziel von Flüchtlingen eine Rolle gespielt haben mögen.
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Gästeliste des 1. Weltkriegs
Zum Ende des osmanischen Reiches beherbergte Aleppo zwei Persönlichkeiten, die vom heutigen Standpunkt aus beide Ausländer waren - Lawrence of Arabia und Kemal Atatürk. Begreiflicherweise logierten diese Herrschaften nicht zeitgleich dort. Atatürk - damals noch Mustafa Kemal Pascha - kommandierte in der Schlussphase des ersten Weltkrieges von hier aus die 7. Osmanische Armee. Aleppo war außerdem auch Garnison für das deutsche Hilfskorps "Pascha II", mit dem Erich von Falkenhayn eine Offensive gegen das britisch kontrollierte Baghdad beabsichtigte. Ein besonders gutes Beispiel deutsch-türkischer Zusammenarbeit scheint jene Episode allerdings nicht gewesen zu sein, und das hing nicht nur mit dem bekannten Ergebnis der deutsch-osmanischen Allianz zusammen, sondern hatte auch Gründe, über die Interkultur-Trainer wahrscheinlich Bücher schreiben würden, wenn das Historische nicht so unprofitabel wäre. |
Innerhalb einer fünf Kilometer langen und mit sieben Stadttoren versehenen Stadtmauer befindet sich die noch zum Teil erhaltene Medina (Altstadt) Aleppos. Dieses Gebiet umfasst eine Fläche von ca. 350 ha. Ab dem Jahre 1952 wurden große Teile der Altstadt dem Fortschritt geopfert. Die Modernisierung begann damit, dass breite Straßen durch den Stadtkern gebaut wurden. Dieser Prozess erreichte in den 1970'ern seinen Höhepunkt. Große Flächen wurden saniert, indem die Altbausubstanz abgebrochen und durch moderne Wohnblöcke ersetzt wurde. Was von der Altstadt übrig blieb, wurde dem Verfall preisgegeben. Der Umschwung kam 1986. Die UNESCO erklärte die Altstadt zum Weltkulturerbe. Seitdem bemühen sich verschiedene syrische und internationale Organisationen (u.a. GTZ, Aga Khan-Trust for Culture, Arab Fund for Social and Economic Development) um deren Erhalt. Zur Zeit leben etwa 120.000 Menschen in diesem Gebiet - es gab innerhalb von knapp 100 Jahren also keinen Bevölkerungsanstieg in der Altstadt. Folgende Gebäude sind besonders hervorzuheben: Die Zitadelle, die Madrasa Halwiya sowie das Stadttor Antakya.
Trotz der Beschädigungen durch das Erdbeben von 1822 hat diese Festung bis heute nichts von ihrer Wucht und Imposanz eingebüßt.
Betrachtet man ein traditionelles Gewerbe- oder Wohngebiet als sozio-ökonomisches Gewebe mit einem traditionellen kulturellen Ausdruck, dann erträgt eine große Metropole die Anforderungen wirtschaftlicher Veränderungen in baulicher Hinsicht besser als ein relativ kleiner Ort, der sich im Wandel auch äußerlich schnell verändert und seine alten Charakteristiken verliert. Ein Großteil Aleppos wurde längst abgebrochen und machte modernen Gebäuden und Straßenzügen Platz. Was von Aleppos Altstadt übrig blieb, kann sicherlich nicht als Metropole gelten.