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Alepposeife - Teile 2 und 3


1. Alepposeife - Herstellung und Hintergründe
2. Alepposeife - Der Hamam
3. Alepposeife - Kulturgeschichte der Seife
4. Alepposeife - der Lorbeerbaum
5. Wirtschaftsinformationen über Alepposeife

2. Der Hamam

Ruhebänke am TauchbeckenDas arabische Wort "hamam" kann mit "Wärmen" ins Deutsche übertragen werden. Im Gegensatz zur nordeuropäischen Sauna wird der Körper keinen abrupten Temperaturveränderungen ausgesetzt, sondern bei ca. 50 Grad Celsius mit viel Wasser und noch mehr Seife gereinigt.

Die Prozedur beginnt mit einer Dusche. Danach legt man ein großes Baumwolltuch um, zieht Holzpantinen an und betritt den üblicherweise von einer vielfach durchbrochenen Kuppel überwölbten Haupt- und Ruheraum des Bades. Dieser Raum ist für gewöhnlich mit einer Fußbodenheizung so beheizt, dass die Temperatur angenehm warm ist. Die entspannende Wirkung der Wärme wird dadurch verstärkt, dass der Besucher sich auf einer beheizten Steinbank ausstrecken kann. Die Hautporen öffnen sich und die Muskulatur wird ohne Anstrengung gut durchblutet. Oft befinden sich auch große Tauchbassins in oder neben diesem Raum. Nach einer kurzen Pause in einem etwas kühleren Raum betritt man das Dampfbad, welches bei einer Temperatur von etwa 50 Grad (zum Teil bis zu 80 Grad) und einer nahezu hundertprozentigen Luftfeuchtigkeit dafür sorgt, dass die Haut sehr viel Feuchtigkeit aufnimmt und so Hautschuppen gelöst werden. Das Dampfbad ist eine gute Vorarbeit für den Bader. Sein Arbeitsplatz ist in einem Nebenraum, welcher bei älteren Hamams ebenfalls mit einer Kuppel versehen ist. In kleineren Hamams sind an den Wänden des Dampfbades Brunnen angebracht, in die das warme und kalte Wasser aus zwei Hähnen läuft. Der Besucher nimmt hier direkt neben solch einem Brunnen Platz und der Bader beginnt mit seiner Arbeit.

Hamam-BrunnenEr schrubbt und massiert den Körper mit einem Handschuh aus hartem Ziegenhaar (Kis) und mit einem beeindruckenden Verbrauch an Lorbeerseife bis an die Grenze des Zumutbaren. Der Seifenschaum wird immer wieder mit Güssen aus einer Kupferschale entfernt und die Prozedur beginnt von neuem. Nach überstandener Prüfung und möglicherweise einer Rasur mit Olivenseife wird man wohlig erschöpft und in einen warmen Baumwollmantel gewickelt in den Ruheraum zurück geleitet. Dort können nun bei einem guten Gespräch, schwarzem Tee oder salzigen Ayran die Lebensgeister langsam wieder zurückkehren.



3. Kulturgeschichte der Seife

Von Beginn der Altsteinzeit an reichte es den Menschen, sich mit Wasser oder Sand zu reinigen. Die Jäger und Sammler lebten in kleinen Horden. Wenn sie den Beutetieren nachzogen, ließen sie ihren Dreck einfach an ihrem alten Aufenthaltsort. Nachdem jedoch im nahen Osten im Gebiet des fruchtbaren Halbmondes vor ca. 10.000 Jahren die ersten Menschen begannen Ackerbau und Viehzucht zu treiben und daher an einem Ort blieben, stellten sich ihnen ganz neue Herausforderungen. Kleidung wurde nun sehr aufwendig aus Tierhaaren und Pflanzenfasern gewonnen, denn Ziegen, Rinder und Schafe waren nun zu schade, um sie nur der Felle wegen zu töten. Im Laufe ihres Lebens lieferten die Tiere wertvolle Wolle, Arbeitskraft und Milch. Diese Kleidung musste sauber gehalten werden, wenn das Tuch nicht verderben und die Kleiderläuse nicht überhand nehmen sollten. Wasser vermag vieles aus Geweben oder von der Haut zu waschen - Sand, ausgeschwitztes Salz, Staub; aber sobald zum Beispiel Körperfett mit Wasser ausgespült werden soll, wird dieses Vorhaben entweder extrem zeitaufwendig oder sogar undurchführbar.

AlepposeifenverkäuferBereits die Sumerer verfügten über Wissen im Bereich der Chemie. Sie lösten Pottasche (Pflanzenasche, die besonders viel kohlensaures Kalium enthält) in Wasser auf und erzeugten so Laugen. Diese einfachen Laugenrezepturen entwickelten sie dadurch weiter, dass sie der Pottasche Pflanzenöl zusetzten und so ganz einfache (Schmier-)Seifen herstellten. In Tello, einer kleinen Stadt in Mesopotamien, wurde ein 4400 Jahre altes Rezept für solch eine Seife gefunden. Strittig ist jedoch, ob diese «Seifen» bereits zu Reinigungs- oder zu medizinischen Zwecken eingesetzt wurden.

Alepposeife im Souq Aus dem sumerischen Kulturraum gelangte das Wissen um die Herstellung dieser Heilmittel nach Ägypten und nach Griechenland. In Ägypten wurde zudem Soda als waschwirksam erkannt. Soda wurde in der Wüste oder in ausgetrockneten Salzseen als Mineral abgebaut oder auch durch das Verbrennen von natriumchloridhaltigen Meerespflanzen gewonnen. Diese Asche beinhaltete neben dem Soda natürlich auch wieder Pottasche. Zudem findet man in ca. 2600 Jahre alten Papyri Hinweise darauf, dass Fette oder Öle mit Soda vermischt und gekocht wurden.

Aber erst in der römischen Zeit begann man, Interesse für die reinigende und damit ästhetisch bedeutsame Wirkung dieser Rezepturen zu zeigen. Zuvor reinigten die Menschen im Kulturraum des Mittelmeeres ihre Haut, indem sie sich mit Olivenöl einrieben und dieses Öl dann mit einer Art Schweißmesser zusammen mit Staub und Schweiß von der Haut abzogen. Diese Methode der Körperhygiene war nicht nur zeitaufwendig, sondern auch teuer. Ihre Oberkleidung, Unterwäsche im modernen Sinne war unbekannt, ließen die Römer von Urinspzialisten reinigen. Wahrscheinlich aus Mangel an Pottasche - Holz wurde bereits in der Antike zu einem Mangelgut - verwendeten die römischen Wäschereibetriebe Jauche aus menschlichem Urin. Das in dieser Flüssigkeit enthaltene alkalische Ammoniak ersetzte beim Waschen das Alkali aus der Pottasche. Diese Arbeit wurde von Sklaven oder verarmten Freien durchgeführt. Die Wäschereibesitzer wurden dabei so reich, dass Kaiser Vespasian auf die öffentlichen Pissoirs, welche mit den Wäschereien durch Rohrleitungen verbunden waren, Steuern erheben wollte. In diesem Zusammenhang soll das berühmte pecunia non olet gefallen sein.

AlepposeifenkatzePlinius der Ältere schrieb im 1. Jahrhundert nach Christus:
«Von Nutzen ist auch die Seife, eine gallische Erfindung, um die Haare rötlich schimmernd zu färben. Man bereite sie aus Talg und Asche...»

Für den freien römischen Bürger waren diese «Seifen» unerschwinglich und selbst in der Oberklasse kam wohl kaum ein Mensch auf die Idee, diese teuren Kosmetikprodukte für das Bad oder zur Wäsche zu verwenden. Allerdings sind hier die Angaben in der Literatur widersprüchlich. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass ab dem 2. Jahrhundert Seife nicht nur als Haarpomade oder Bleichmittel, sondern auch als Waschmittel verwendet wurde. Die Vermutung liegt nahe, dass diese als Haarpomade eingesetzten Schmierseifen den Kopflausbefall vermeiden helfen sollten.

Erst die Araber verkochten im siebten und achten Jahrhundert Öl und Lauge in größeren Mengen und schufen so mit viel Geschick die Alepposeife, wie wir sie heute kennen. Sie stellten feste Kaliseifen her, indem sie Soda oder Pottasche mit Ätzkalk (Calciumhydroxid) kaustifizierten, d. h. alkalisch machten. Nun war es möglich, Seifen herzustellen, deren Hauptzweck die Verwendung als Badeseife war.

Mit der Eroberung der iberischen Halbinsel für den Islam kam auch das Kulturgut Seife nach Europa. Langsam breitete sich das Wissen um und der Bedarf an diesem Reinigungsmittel im Mittelmeerraum aus und in Spanien, Italien sowie im südlichen Frankreich entwickelten sich im Hochmittelalter und in der frühen Neuzeit regelrechte Seifenindustrien, denn diese Länder verfügten über die wichtigsten Rohstoffe: Olivenöl und Pottasche aus Meerespflanzen, welche Soda enthielt. Im 14. Jahrhundert entwickelten sich Augsburg, Prag und Wien zu Zentren der Toiletteseifenproduktion.

Dort wo man die Alepposeife mit Lorbeeröl verfeinerten, setzte man in Frankreich der Seife Lavendelöl oder Zitrusöle zu. Damit begann die Karriere der europäischen Toiletteseife. Die kleinen Seifenkugeln waren als Konsmetikartikel und Duftspender an den Höfen Europas sehr beliebt - stellten für die einfachen Menschen allerdings einen unbezahlbaren Luxus dar.

Die spanische, die Marseiller- und die Alepposeife waren bis weit in das 19. Jahrhundert hinein DIE Seifen, wenn von Reinigungsseife gesprochen wurde. Diese Seifen waren und sind Luxusprodukte. Kein einfacher Mensch konnte sich diese Seifen lediglich zur Körperreinigung leisten. Und da Baumwollwäsche auch erst im 19. Jahrhundert breiteren Bevölkerungsschichten zur Verfügung stand, entwickelte sich der Bedarf an reinigender Seife parallel mit den Fertigkeiten ihrer industriellen Produktion in Europa. Zuvor wurde Wäsche aus Leinen oder Wolle in kaltem Wasser durch schlagen, reiben und klopfen gereinigt. Bereits ägyptische Fresken zeigen WäscherInnen, die die Stoffe mit Wasser spülten und mit Holzkeulen schlugen. Das Weiß der Betttücher und der Tischdecken erreichten die Wäscherinnen durch körperliche Arbeit und das anschließende Bleichen auf den großen Gemeindewiesen. Bestenfalls wurden in die Waschzuber Kräuter (Seifenkraut) oder Holzasche gegeben, die mit dem Waschwasser zu leichten Laugen reagierten.

Alepposeife, LorbeerölAber auch die Körperpflege war nicht das Metier der europäischen Nationen. Während es im Hochmittelalter überall in Europa Badehäuser - ein Aspekt der kulturellen Diffusion durch die Kreuzzüge - gab, existierten diese Einrichtungen im 18. Jahrhundert kaum noch. Die Gründe für das Sterben der Badehäuser waren recht einfacher Natur. Die Badehäuser waren zumeist nicht nur Orte, in denen Bürger und Reisende sich reinigen konnten, vielfach handelte es sich bei diesen Orten auch um Bordelle. Als zu Beginn der Neuzeit die Syphilis nach Europa eingeschleppt wurde, kamen diese Etablissements in Verruf und die Menschen verbanden gedanklich diese Orte mit dieser schwer stigmatisierten Krankheit. Zudem zeichnete sich der Protestantismus auch nicht durch eine besonders positive Einstellung zum Körper aus. Vielfach wird in Hinblick auf die Seuchenzüge des späten Mittelalters und der Neuzeit auf die mangelnde Körperhygiene aller Gesellschaftsschichten hingewiesen und eine Verbindung zwischen fehlender Waschlust und Sterblichkeit hergestellt. Diese Sichtweise ist so jedoch nicht haltbar, denn bei den Infektionen mit den meisten Seuchen ist die persönliche Körperhygiene zweitrangig. Dem Rattenfloh als Überträger der Beulenpest ist es genauso gleichgültig ob sein Opfer frisch gewaschen ist, wie HIV, den Grippeviren, dem Pockenvirus, den Gelbfieber- und Malariamücken oder dem Choleraerreger. Erst nachdem die große Masse der Menschen in Europa finanziell in der Lage war, ihre Leibwäsche regelmäßig zu wechseln, angemessene Wohnräume zur Verfügung hatte, die Trink- und Abwasserversorgung aufgebaut war und die moderne Medizin Behandlungsmethoden und Heilmittel zur Verfügung stellte, gingen die Seuchen - in den industrialisierten Ländern - zurück. Natürlich gibt es auch Schmutzseuchen wie das Fleckfieber und Infektionskrankheiten wie Krätze, Trachom, Eiterflechte und Lepra, deren Übertragung durch mangelhafte Körperhygiene unterstützt wird, doch Seuchenzüge oder gar Pandemien nahmen und nehmen keine Rücksicht auf die Lebensstandards unterschiedlicher Länder oder Kontinente. Zu ergänzen ist, dass die zunehmende persönliche Hygiene breiter Bevölkerungsschichten nicht darauf zurück geht, dass alle Menschen beschlossen, sich zu waschen - erst mussten die Einkommen so hoch sein, dass sich auch Tagelöhner billige Knochenfettseife und die regelmäßige Dusche leisten konnten! Der persönlichen Hygiene wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts so viel Bedeutung beigemessen, dass sie zu nationalistischen Zwecken instrumentalisiert wurde. So entblödete man sich im wilhelminischen Deutschland nicht zu behaupten, dass die Seife von Deutschen erfunden worden sei.

Noch bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts wurde in Europa die Wäsche immer noch so wie bei den Sumerern gewaschen. Holzasche wurde in Stoffsäcke gefüllt und in die Waschzuber mit dem heißen Wasser gehängt. Das Wasser laugte die Holzasche aus - so entstand der Begriff der Lauge oder die Metapher des ausgelaugt seins. Wichtig war für die Wäscherinnen stets, dass sie weiches Regen- oder Oberflächenwasser zur Verfügung hatten, denn hartes Wasser bedeutete stets einen höheren Laugen- und später Seifenverbrauch.

Mit dem Aufschwung der Baumwolle verarbeitenden Textilindustrie im 19. Jahrhundert und der damit verbundenen Sklavenarbeit in den Südstaaten der USA stieg die Nachfrage nach Seife. Waschen wurde deshalb modern, weil die neue Leibwäsche aus Baumwolle im auch mit Seife gewaschen werden konnte. Die Nachfrage stieg so sehr an, dass die Seifensiedereien in Nord- und Mitteluropa erhebliche Schwierigkeiten hatten, die Rohstoffe Talg und Holzasche in den notwendigen Mengen zu beschaffen. Bald reichten die Schlachtabfälle und der Einsatz heimischer Ölpflanzen nicht mehr aus. Die Ausweitung des Walfanges und die Machtübernahme der europäischen Eroberer in tropischen Ländern und die Einführung der Plantagenwirtschaft sicherten nun den ungeheuren Fettbedarf. Der Franzose Chevreul entwickelte die Begriffe Sterinsäure für eine Fettsäure talgiger Konsistenz und Oleinsäure für eine ölige Fettsäure. Zudem wurden neue Verfahren zur preisgünstigen künstlichen Herstellung von Soda entwickelt (Leblanc- und Solvay-Verfahren). Berthollet entdeckte das Element Chlor und beschrieb dessen bleichende und desinfizierende Wirkung.

Nun wurde aus dem qualitativ hochwertigen Luxusprodukt Seife ein industriell gefertigtes Massengut.

Kesselverseifungsverfahren und moderne Kühlung und Trocknung verkürzten die Herstellungszeiten und steigerten so den Gewinn.

Alepposeifentower

In vielen Haushalten wurde jedoch Schmierseife in der Küche noch selbst hergestellt. Von den Hausfrauen wurden dafür zumeist Pottasche, Leinöl, Hanföl, Tran und Talg verwendet. Diese Seifen dienten nicht nur als Reinigungsmittel in den Haushalten, sondern auch als Heilmittel. Als Kind musste ich auf Anweisung meiner Großmutter (Jahrgang 1907) entzündete Zehennägel oder aufgeschlagene und vereiterte Schürfwunden in heißem Schmierseifenwasser baden. Die Lauge zog die Entzündung und den Eiter aus den Wunden.

Im Geburtsjahr dieser Großmutter kam es zu einer großen Innovation im Wäschewaschen. Das erste Vollwaschmittel erreichte die Ladengeschäfte. Außer Seifenpulver enthielt es Bleichmittel und Stabilisatoren. Jedoch gelang der wirkliche Entwicklungssprung von der Waschküche mit Kessel und Zuber mit handbetriebenen Rühr- und Schlagvorrichtungen erst in den fünfziger Jahren mit der Massenproduktion von Trommelwaschmaschinen und leistungsfähigen Wäscheschleudern.

Heute wird Seife - in der Regel - aus möglichst billigen tierischen oder pflanzlichen Fetten hergestellt. Rohstoffe für den Fettanteil sind häufig Rindertalg und Schweine- oder Knochenfett - d. h. Schlachtabfälle. An pflanzlichen Fetten werden Kokosfett und andere meist minderwertige Ölsorten eingesetzt. Damit diese Seifen den ästhetischen Ansprüchen der Kunden beim Geruch nicht zuwiderlaufen, werden künstliche Aromen und Duftstoffe zugesetzt, die wiederum auf dem preisgünstigten Weg von der Chemieindustrie erzeugt werden. Da die Kunden in den vergangenen Jahrzehnten bemerkt haben, dass diese Seifen der Haut nicht immer zuträglich sind, hat die Industrie Alternativen entwickelt. Diese ph-neutralen Wasch-Syndets, Duschgels oder Geschirrspülmittel sind zumeist vollständige Laborprodukte. In Waschmitteln soll Seife heute nicht mehr reinigen, sondern das Schäumen verhindern.

il professore

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